Warum Golfbälle alles wissen! - Kapitel 2: Harte schale - Weicher Kern



  


Schönes Spiel

Harte Schale – Weicher Kern – Vor der ersten Runde

In diesem Kapitel erzählt uns der Golfball über seine Geburt und erlebt die Vorbereitungen für seine erste Runde. 

Er sammelt seine ersten Erfahrungen während der Vorbereitungen für den ersten Abschlag.


 

  Das Wort Golf von hinten gelesen

 beschreibt die kraftaffine Umsetzung

 des Schwungs in englischer Sprache, 

ohne das Ergebnis zu konkretisieren. 

 

O. S.         Anmerkung: Flog in englischer Sprache bedeutet prügeln. 

 

Golfbälle: Harte Schale – Weicher Kern

Ganz ehrlich, wie oft haben Golfer*Innen schon einen Ball auf das Tee gelegt, ohne sich Gedanken zu machen, wie viele Dimples sich auf meiner Außenhaut befinden und/oder für was diese gut sind, wie mein Innenleben aussieht, wie ich fühle und was ich denke. Wann ich ins Spiel kam. Wie mein erster Flug war. Ob ich mich mit den Schlägern gut verstehe oder vielleicht doch nicht.

Fangen wir mit meiner Geburt an. 

Obwohl, Geburt ist die falsche Beschreibung für meinen davor chemisch-industriell von statten gehenden Zeugungsakt, welcher in der Fachsprache Produktionskette genannt wird. 

Meine Geburt erfolgte maschinell, äußerst lieblos, um nicht zu sagen brutal.

Während bei den Menschen der Zeugungsakt von einem intimen, meist zärtlichen Vorspiel begleitet wird, damit sich neues Leben nach der Vereinigung von weiblichen und männlichen Zellen bilden kann, erfolgt unsere Zeugung ohne Austausch von Gefühlen, rein maschinell.

Gleichzeitig ist es nicht abzustreiten, dass Chemiker und Techniker für unsere Ballwerdung ebenfalls viel Liebe und Energie aufbringen, um unsere Körper zu formen.

Menschen tragen also ebenfalls ihren Teil zu unserer Golfballwerdung bei. Vermutlich nicht mit derselben Intensität, aber doch mit Begeisterung.

Wie bei den Menschen, welche mit Kopf, Körper, Armen und Beinen zur Welt kommen, also bei der Geburt fast gleich aussehen, ist auch unser Aussehen für den unvoreingenommenen Betrachter einheitlich.

Wie sagte eine Frau zu ihrem Spielpartner, der ihr während der Runde einige flirtende Wortspiele zurief: „Wissen sie, es kommt auf die inneren Werte an, welche mir besonders wichtig erscheinen.“

Menschen, insbesondere unsere Spieler und Spielerinnen, durchleben eine lange Entwicklungsphase bis sie sich zu Personen mit unterschiedlichen, vor allem aber individuellen Persönlichkeitsprofilen wie Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus entwickeln.

Diese Eigenschaften werden uns Bällen bei der Herstellung unseres Innenlebens bereits mit chemisch unterstützter Begeisterung mitgegeben. 

Menschen müssen lernen damit umzugehen, besser gesagt, die optimale Zusammensetzung unserer unterschiedlichen chemischen Mischungen für ihr Spiel zu finden.

Kautschuk, Ionomer und Urethan sind unsere Grundmaterialien, welche unterschiedlich gemischt bzw. zusammengesetzt sind, damit wir für die Spieler und Spielerinnen optimale Partner sein dürfen.      

Mein Innenleben wurde als weiche Gummimasse über eine Extruderschnecke gewickelt, danach gnadenlos in die Kompressionsmaschine befördert. Dort auf eine Temperatur von 167 Grad Celsius erhitzt. 

Mit Hilfe einer Presse ‚rund‘ gemacht, anschließend getrocknet.

Ein Peeling mittels einer Schleifmaschine sorgte für meine glatte Haut.

Am Ende stülpte man mir eine Mantelschicht mit fast 400 Dimples - kleinen Grübchen - über. Meine Bekleidung.

Danach durfte ich, mit dem Namen meines Herstellers versehen, endlich das Fließband verlassen.

Der Verkaufspsychologie folgend werden wir, meist zu dritt, in glänzenden Schächtelchen verpackt. Vermutlich wollen unsere Erzeuger damit den Reiz am Inhalt steigern.

Die Beschriftung der Verpackung preist unser außergewöhnliches Flugverhalten.

Wir fliegen weiter, was mit dem Begriff ‚Maximum Distance dazu animieren soll, keine Angst beim Abschlag aufkommen zu lassen. Garniert ist das Ganze mit dem Untertitel ‚Softest Feel, um unsere Feingefühl für Golfer/*innen und deren Werkzeuge, Verzeihung, Schläger, zu unterstreichen.

Die „SURFACE CONTACT AREA (SCA)“ – also die Oberflächenkontaktfläche – ist bei uns um 17 % höher. Auch die „GROOVES ENGAGED DURING IMPACT (GEDI)“, die Rillen des Schlägerblattes, könnten uns besser greifen. 

Damit sorgen wir für einen geraden Flug und ein optimales Roll- oder Backspinverhalten nach einer Landung.

Das alles steht, Gott sei Dank, nur auf der Verpackung, welche sofort nach dem Kauf ohne weitere Beachtung entsorgt wird. 

Ähnlich den Beipackzetteln von Medikamenten. Auch diese finden nur Beachtung, wenn unsere Sklaven, Entschuldigung, Spieler/*Innen bei unangenehmen Nebenwirkungen beginnen, diese zu studieren.

Für uns Bälle gilt, wie bei vielen Menschen: Harte Schale, weicher Kern oder, genauer gesagt, weichere Kerne. Range-Bälle haben nur einen Kern.

Bälle mit zwei Kernen helfen Golfneulingen aber auch Fortgeschrittenen Schwungsicherheit zu finden. Drei-Kern-Bälle, die Begleiter besserer Golfer, unterstützen Spieler mit sportlicher aber technisch bereits versierterer Körperkoordination.

Vierkern- oder Fünfkernbälle, von uns als Professoren bezeichnet, verwenden Profis. Dabei handelt es sich um teilweise wissenschaftlich erforschte und produzierte Spezialisten.

Jeder der Kerne hat eine besondere Funktion zu erfüllen, wobei am Ende das Ergebnis der Zusammenarbeit aller Kerne mit der Außenhaut, abgestimmt auf das Schwungverhalten des jeweiligen Spielers, passen muss. 

Der Preis dieser Bälle spiegelt deren Qualität wider.

Um herauszufinden, welcher Ball mit wie vielen Kernen am besten zum eigenen Schwungverhalten passt, hilft nur informieren, testen und ausprobieren.

Eben wie bei den Menschen. 

Sie haben dafür einen Spruch, welcher auf uns selten zutrifft, da wir meist schnell von unseren Damen und Herren „geschieden“ werden, wenn ein Schwung wieder einmal verzogen worden ist: „Darum prüfe wer sich ewig bindet, ob sich nicht was Besseres findet!   

Mein Golfleben beginnt

In einer Hochglanzverpackung im Pro-Shop wartend, fiebern wir Bälle dem Zeitpunkt entgegen, bald in den Dienst golfender Menschen treten zu dürfen. 

Meist werden wir nach dem Kauf zusätzlich gekennzeichnet, obwohl wir bereit eine Nummer aufgedruckt bekommen haben.

 Mit Punkten aller möglicher Farben, mit Buchstaben oder auch Strichen, um als Ball von Herrn oder Frau …, egal, auf dem Fairway  oder evtl. auch daneben identifiziert werden zu können.

 „Damit kein anderer meinen Ball spielt“so unser erster Eigentümer, während er uns blaue Punkte mit wasserfester Farbe auftüpfelte. Ich schloss daraus, er müsse wohl auch im Beruf sehr akkurat sein, oder aber, er könnte ein i-Tüpferl-Scheißer, ein Übergenauer sein. Anschließend fieberten wir unserem ersten Flug entgegen.

Zwei meiner Freunde wurden in die Halterung des Golftrolleys gepresst, nicht ohne vorher ebenfalls gekennzeichnet worden zu sein.

Ich fand mich in seiner Hosentasche wieder.

Sehr verwundert, warum ich plötzlich durch ein Loch in der Hosentasche am haarigen Unterschenkel langsam Richtung Boden zu rutschen begann. Schnell wurde ich wieder hochgehoben und in die andere Hosentasche gesteckt.

„Besonders ehrgeizige Golfer, schneiden sich Löcher in die Hosentaschen, damit durch diese Öffnungen die Golfbälle am Hosenbein entlang nach unten rutschen. Sehr unfair, aber effektiv, wenn es nach dem Abschlag um das Finden des ‚eigenen Balles‘ abseits der Fairways geht“, erzählte mir der bereits erfahrenere Kollege während der Runde.

Ob selbiges auch Golferinnen praktizieren ist nicht bekannt. Gerüchten zufolge hätten ‚Hobbydesigner‘ für Damengolfkleidung diese ‚Spielunterstützung‘ wegen der die Figur betonenden Bekleidungstrends noch nicht in Angriff nehmen können.

Mode, Golf und …

… trendige Muster mit ausgesuchten Farbkombinationen müssen mit Figur betonender Raffinesse dem Anspruch an Funktion und Stil gerecht werden.

Golfende Menschen legen überwiegend sehr großen Wert auf ihr Erscheinungsbild. Mittlerweile werden Golfbälle passend zum Shirt gekauft.

Waren wir früher alle weiß, so werden wir mittlerweile in vielen Farben hergestellt. Sogar schwarze Golfbälle sind mittlerweile im Handel. Dabei, so darf bemerkt werden, handelt es sich um sogenannte außergewöhnliche Give-away zu Promotionszwecken, welche für ein Golfspiel ungeeignet sind.

Unsere Außenhaut ist nur ein Teil unsere Kleidung.

Über unseren inneren Kern werden mehrere Schichten gezogen. Menschen nennen das „Zwiebelkleidung“ tragen.

Zuerst wird der innere Kern mit einer sehr dünnen Bindeschicht überzogen, die unsere Außenhaut, die Urethanschicht, mit dem Kern verbinden muss.

Zuletzt wird uns die Urethanschicht mit den Dimplen an- bzw. übergezogen. Sehr oft wird auch eine Syrlinschicht verwendet.

Beides sind sehr strapazierfähige Kunststoffe, welche uns bestens kleiden.

Im Gegensatz zu unseren Spielern wechseln wir Golfbälle unsere Kleidung nicht. Wir behalten sie bis zum bitteren Ende an.  

Bei unseren Chefs, noch mehr bei den Chefinnen steht atmungsaktive, temperaturregulierende Kleidung, welche ausreichend Bewegungsfreiheit verspricht, hoch im Kurs.

Eine Warnung an die Damen möchte ich dabei nicht unter den Tisch fallen lassen. Es gibt Pro-Shops, welche modisch äußerst anspruchsvolle, modernste Shirts verkaufen. Aber Vorsicht! Ich habe es auf einer meiner Golfrunden erleben dürfen!

Eine Dame hatte ihr Shirt für das Spiel vergessen. Schnell wurde im Pro-Shop ein neues Shirt gekauft.

Am Abschlag 1 wurde sie vom Platz-Marshall darauf aufmerksam gemacht, sie könne mit diesem Shirt auf diesem Platz nicht spielen.

Was war passiert?

Die Verkäuferin kannte wohl die Vorgaben der Kleiderordnung des Clubs nicht. 

Ohne Kragen am Shirt oder/und ohne Ärmel dürfen dort weder Damen noch Herren spielen. Wäre das Shirt mit einem Kragen und kurzen Ärmeln versehen gewesen, es hätte keine Probleme gegeben. Diese Golferin war gezwungen, sich ein anderes Shirt zu kaufen, um auf diesem Platz spielen zu dürfen.

Während sie für ihren Kauf verschwand, hatte ich mir überlegt, was wohl gewesen wäre, hätte sie nur Kragen und Ärmel getragen. Manchmal darf man seiner Phantasie doch freien Lauf lassen, oder?

Vom erlösenden Gefühl, folgenden Spruch beim theoretischen Unterricht für Regelkunde und Etikette zu hören, können nur wenige Golfneulinge berichten: „Ihr könnt beim Golfen anziehen was ihr wollt, Hauptsache der Hintern schaut nicht raus und der Busen ist bekleidet. Ich gehe doch davon aus, dass wir als Erwachsene, also normal denkende und fühlende Menschen, wissen, wie wir uns auf dem Golfplatz kleiden und benehmen müssen.“

Dies war wirklich vom Betreiber der Anlage so gesagt worden. Dieser Golfplatz, südlich von München, bei Beuerberg gelegen, ist beliebt und gefragt. Nebenbei, gerade wegen der Nonchalance in Kombination mit dem sensiblen Gespür für das Leben der Mitglieder fühlen sich die Menschen dort als Teil einer großen Familie.

Dieser Platz ist ein Geheimtipp in der Golferszene rund um München. Schwierig wegen seiner herausfordernden Fairways zu bespielen. Allerdings bietet das Restaurant die dafür erforderlichen kulinarischen und visuellen Ausgleiche, welche fast alle Probleme während einer Runde, ach was sage ich, des Tages, vergessen lassen.     

Flüsternd erklärte uns die kleine Pitchgabel ihre Sicht: „Geht es vor dem Spiel darum, sich im entsprechenden Outfit zu zeigen, kann hier und da noch schnell nachgeholfen werden.“

Die kleine Gabel wusste offensichtlich genau Bescheid.

„Mit einem neuen Sonnenschild, einem neuen Hut oder einem trendigen Golfkäppi, einer klappbaren Pitchgabel mit Ballmarker. Oder, sei es auch nur mit einigen neuen Bällen, zur Erinnerung an diesen Club, auf dessen Fairways sich unsere Sklaven nun während der nächsten 18 Bahnen über vier Stunden beweisen und dafür vermutlich sogar leiden müssen und wollen.“

„Sind es vor dem Spiel die kleinen ‚Mitnehmsel‘, welche das Selbstvertrauen für die anstehenden Runden streicheln sollten, müssen es nach dem Spiel die etwas teureren ‚Mitbringsel‘sein, um dem Spiel Golf mitzuteilen, ‚du kannst mich nicht einschüchtern, ich stelle mich dir morgen mit einem neuen Schläger und zeige dir, ich kann es‘!“, rief der Putter despektierlich dazwischen.

Neues für das Selbstvertrauen!

„Dabei treibt die geschundene Golfer/*innenseele ihre Schäfchen durchaus zum Kauf eines neuen Hölzchens, welches Genauigkeit mit der Länge des Ballfluges optimal ins Gleichgewicht bringen soll“, traute sich das Eisen 7 noch eins dazu zu geben. Dabei schickt es einen vorwurfsvollen Blick zu den Hölzern.

Zusammen mit dem neuen „Werkzeug“ wird der geschundenen Golfseele Balsam, dem trainingsfaulen, schlechtem Gewissen zusätzlich etwas Ruhe verschafft.

Allerdings verhalten sich Golfschläger wie Menschen, welche sich zum ersten Mal begegnen.

Deren Verhalten ist reserviert. Sie wollen ihre spielenden Partner erst einmal kennen lernen, wollen wissen, wie sie sich verhalten, wie sie schwingen, aber vor allem, ob sie sich ausreichend Zeit nehmen, um sich mit ihren Schlägern anzufreunden.  

Die Psychologie der Schläger und der Bälle wäre sehr einfach zu erklären. „Wenn jedem Schläger Zeit und Geduld auf der Driving Range geschenkt wird, schenkt jeder Schläger mit Freude sein Können den Bällen.

Diese wiederum erfreuen mit ihrem gelungenen Flug den Spieler oder die Spielerin. Sie bestätigen mit ihrem Flug die Ausdauer am Training und schenken Selbstvertrauen für den nächsten Schwung.

Es ist der Kreislauf des Gebens und Nehmens“, erklärte uns Herr Mizuno die asiatische Sicht  auf das Yin und Yang der dualen Kräfte für das Spiel Golf.

Golfbälle verbringen ihre wertvolle Zeit …

… überwiegend in meist gut gefüllten Balltaschen der Golfbags. Die Angst mancher Golfer*innen, mit zu wenigen Bällen am Abschlag zu stehen, muss wohl weit verbreitet sein.

Diese Angst weckt den Trieb des Sammlers bzw. die Fürsorgepflicht der Frau aus der Urzeit. Besonders abseits der Fairways.

Ab und zu entsteht beim langen Warten hinter einem ballsuchenden Flight der Eindruck, manche Menschen würden sich lieber dem Such- denn dem Golfspiel hingeben.

„Ich glaube der hat goldene Bälle“, hat einmal eine Frau ihrer Freundin zugeflüstert, nachdem ein Spielpartner immer wieder ballsuchend im dichten Wald verschwunden war.

Es ehrt mich, den Ball, wenn mir viel Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Besser wäre es allerdings, würde uns bereits beim Beginn des Schwunges so viel Aufmerksamkeit zuteil, wie uns später, nach einem missglückten Schlag, für die Suche gewidmet werden muss.

Für meine erste Runde …

… wurde ich auf ein Tee gesetzt und schaute auf das, von blühenden Bäumen eingerahmte, Fairway.

Jeder Golfball lernt zuallererst seinen wichtigsten Partner am Abschlag kennen: Das Tee. 

Ein kleiner Stift aus Holz oder Kunststoff mit einer angenehm ausgekehlten Liegefläche, auf der wir Bälle uns vor dem Abschlag auf unseren Flug konzentrieren.

Tees unterstützen mit ihren unterschiedlichen Längen die Spieler. Mit einer Minimallänge von 5,4 cm und einer Maximallänge von 10,16 cm bieten sie allen Spielern ein Optimum zum Ausleben des Treffmoments auf uns Bälle an.

Manche bevorzugen im Treffmoment die Nähe zum Boden, andere wiederum lieben es uns Bälle bei sieben bis acht Zentimetern über dem Boden vom Tee auf die Reise zu schicken.

Jeder Spieler muss für sich selbst, meist verbunden mit längeren Trainingseinheiten, herausfinden, welche Höhe ihm und seinem Driver am besten liegt.

Tees und Bälle unterhalten sich oft über geglückte, aber auch missglückte Schwünge und Schläge.

„Glaube mir, wenn ich gleich nach dem Schlag zwanzig bis dreißig Zentimeter aus dem Boden springe, freue ich mich für dich“, erklärte mit das wohl bereits erfahrene Tee. „Dann bist du gut getroffen worden und hast einen angenehmen Flug.“

„Du steckst doch fest im Boden“, erwiderte ich. „Ich werde doch von dir nur weggeschlagen und hoffe auf einen schönen Flug.“

„Wenn dich der Driver optimal trifft, dann erwischt er mich am Kopf leicht mit seiner Kante und streift mit der Sohle über mich hinweg. Ich werde, sobald du von mir abhebst, von deiner Fliehkraft aus dem Boden gezogen und nach oben katapultiert. Werde ich nicht ganz optimal getroffen, dann fliege ich schräg  nach hinten, oder auch nach vorne.“

„Wie ist das für dich, wenn ich nicht gut getroffen werde?“, wollte ich wissen.

„Ja dann fliege ich entweder eine kurzes Strecke mit dir mit, oder ich liege platt am Boden. Zumindest bleibe ich am Leben, da ich aus Plastik hergestellt worden bin.“

„Und Tees aus Holz?“, wollte ich wissen.

„Die überleben Schwünge leider selten, weil sie beim Schlag brechen. Es gibt viele Holztees, die überleben nicht einmal den ersten Schlag. Allerdings kannte ich ein Holztee, das wurde von einem guten Spieler fast einen Monat lang eingesetzt. Er meinte es bringe ihm Glück.“

Wir wurden unterbrochen. Der Driver mischte sich in unsere Diskussion ein.

 Dieser knurrte: „Gleich kriegst du eine auf den Arsch, dass dir Hören und Sehen vergeht.“

„Wo kommst du denn her“, wollte ich wissen.

„Ich wurde hinter dir von unserem Spieler aufgesetzt, um dich zu begutachten. Dabei kann ich keine Rücksicht auf Sympathie nehmen.

Ich werde dich auf das Fairway schlagen, wenn mein Spieler alles richtig macht. Wenn nicht, kann es sein, dass dein Spiel vorbei ist, weil du nicht mehr gefunden wirst.“

 Ich weiß bis heute nicht was ich ihm getan haben sollte, seine Drohungen jedoch waren klar und deutlich zu hören. Trotzdem freute mich unbändig auf den ersten Flug. Hinter mir grinste mich ein glänzendes Gesicht ohne Nase und Augen an.

Driver haben unbändigen, meist jedoch fragwürdigen Charme.

Manche Bälle behaupten, Driver wären die Zuhälter der Schlägersätze im Golfbag.

Sie schlagen hart auf unsere Dimples und befehlen uns, alles zu machen was sie wollen, obwohl wir es oft nicht möchten.

Schönes Spiel“, riefen sich die Flight-Partner, sehr unpassend zum Blick des Drivers zu. Der zischte knapp an mir vorbei.

Später erfuhr ich, diese Luftnummer wird Probeschwung genannt.

 

Das Leuchten in den Augen 

nach einem gelungen Golfschwung, 

spricht für die immer wiederkehrende Begeisterung 

an der Lust des Verschmelzens von Körper und Geist 

             für den Flug des Balles.

Momente der Leidenschaft auf dem Golfplatz / O. S.

 

 Probeschwünge

… dienen meist zur Befriedigung des Selbstwertgefühls. Bei anderen Golflüstlingen drängte sich mir später der Verdacht auf, sie proben, damit das eintretende Unheil des Fehlschlages etwas verzögert wird.

„ Hätte ich Hände und Kopf, ich würde diese über dem Kopf zusammenschlagen: Die Probeschwünge lieben sie, der Schwungprofessor ebenso wie der Golflehrling“, murmelte das Tee. „Am liebsten zwei bis drei Mal.“

„Wieso Probeschwünge? Welchen Zweck haben die denn?“, wollte ich vor meinem ersten Flug noch wissen.

 „Probeschwünge sollen dazu dienen, die Schlagsituation einzuschätzen. Wer allerdings bereits beim Probeschwung alle Fehler eines Golfschwungs inhaliert, sollte sich nicht wundern, wenn beim finalen Schlag der Schwung zu husten beginnt“, erklärte mir das Tee.

Mittlerweile weiß ich es genauer. Probeschwünge sind beliebt. Sie sollen helfen, den Ablauf der Automatismen für den Schlag auf uns Bälle zu rekapitulieren. 

Alle machen dabei ‚Bella Figura‘. Der Driver, der Spieler und selbstverständlich wir Bälle als lässig auf dem Tee liegende, wichtigste Teilnehmer des Spiels.

Nach dem Probeschwung beginnt jedoch der Ernst des Golferlebens für Spieler*innen, Schläger, Bälle und Tees. Genau in der Reihenfolge.

 

Später hat mir beim Vorbeifliegen während des Probeschwungs der Driver zugerufen: „Du kannst ja nichts dafür, aber die Hilflosigkeit meines Schwungfanatikers wird dich leider auf eine Flugbahn befördern, die wir beide nicht wollen.“

Den Griff üben, wiederholen und einstudieren!

 Der Driver erklärte mir später, warum wir Bälle sehr oft vom Spieler ungewollte Flugrichtungen einschlagen müssen.

„Weißt Du, viele glauben es reicht einfach fest zuzugreifen. Dabei sollten vor jedem Schlag das Zusammenspiel der Hände beim Griff und die Körperhaltung geprüft werden. Ich bin kein Prügel, den man einfach schwingt.“

Das berühmte V der Daumen beim Griff: Der linke Daumen bildet eine Linie mit dem rechten Arm, der rechte Daumen eine Linie mit dem linken Arm. 

„Die Körperspannung wird bereits mit dem Griff aufgebaut“, ergänzte er noch. „Außerdem sollten sich die Spieler/*innen, je nachdem ob Rechts- oder Linkshänder/*innen, ganz leicht nach rechts oder links neigen, um mit mir den Ball in der gerade beginnenden Aufwärtsbewegung zu treffen.“

„Zusätzlich sollte der Abstand beim Ansprechen der Bälle genau passen“, flüsterte das Tee.

„Das ist das größte Problem“, erwiderte der Driver. „Mir wird ganz schlecht, wenn während des Schwungs plötzlich mit dem ganzen Körper korrigiert wird, damit du getroffen werden kannst.“      

Es dauerte etwas bis ich die Zusammenhänge erfasste.

Da wird locker ausgeholt, die Augen gehen mit dem Schläger mit, sie fixieren keinen festen Punkt am Boden, welcher getroffen werden soll. Die Konzentration für den Schwungablauf mit der erforderlichen Körperspannung wird erst gar nicht in Angriff genommen. 

Am Ende des Schwungs fliegt der Kopf mit dem Schläger mit.

Genau so vorbereitet geht es dann zum Schlag mit uns Bällen. Vielen Bällen wird bereits nach dem ersten Probeschwung schlecht, da sie wissen, diese katastrophale Vorbereitung kann für sie im Nirwana enden.

Das Tee klärte mich noch weiter auf: „Über den Energieverlust während einer Runde wegen Probeschwüngen muss nicht weiter diskutiert werden."

Es folgte eine kurze Pause.

"Angenommen für jeden Schlag werden zwei Probeschwünge absolviert, dann summiert sich die Anzahl der Schläge auf das Dreifache. Wurde zum Beispiel eine Bahn mit fünf Schlägen bis zum Putt gespielt, dazu mit zwei Probeschwünge vor jedem Schlag, kommt die stolze Summe von fünfzehn Schwüngen zusammen. Wegen des Kraftverlustes leiden wir Tees und ihr Bälle.“

„Warum?“

„Die Energie wurde an die Probeschwünge verschenkt. Für die Konzentration auf Eure Flugbahnen fehlt die Energie. Und wir Tees? Wir fliegen beim Abschlag nach vorne oder müssen aus dem Gras gekratzt werden, weil wir ebenfalls gequält werden.“

„Interessant. Am Abschlag entsteht eine Menage o Trois, ein Dreiecksbeziehung. Tee, Ball und Driver versuchen die golferotischen Wünsche von Spieler/*innen zu erfüllen. Spieler und Spieler/*innen beteiligen sich mit ihrem Schwung ziemlich rüde am Liebesspiel, um sofort danach als Voyeure, meist viel zu früh, den Flug des Balles zu beobachten“, denke ich.

Das Tee sprach weiter und rief etwas lauter:

Foooore! ! !“

Ich erschrak über den Gefühlsausbruch meines unter mir ruhenden Partners.  

„Dieser Schrei, meist verbunden mit dem Entsetzen über das Missgeschick des Schlages, dessen Ursache ein verunglückter Schwung war, fliegt zusammen mit dem Ball über das Fairway, wenn ein Ball nicht die gewünschte Fluglinie verfolgt“, redete es leiser weiter.  

„Verbunden ist dieser Schrei mit der Hoffnung, es möge niemand verletzt werden und die gefährdeten Spieler auf einem Nachbarfairway wissen, wie sie sich schützen müssen.“

Leise erzählte das T weiter.

„Danach folgt meist ein Fluch, verbunden mit dem Ärger über den eigenen Konzentrationsmangel. Den höre nur noch ich. Der Ball hat sich ja bereits weit vom Malheur des verzogenen Schwungs entfernt.“

Es lohnt sich, den Spieler/*innen zu lauschen.

So erfuhr ich während einer Runde viel über Edvard Munch, welcher immer wieder versuchte, mit seinen Bildern der situativen Ursache  des Schreis auf den Grund zu gehen. 

Ich bitte um Entschuldigung, aber während einer Turnierpause war ich Zuhörer eines Gedankenaustausches zweier kunstaffiner Golfer, welchen ich Ihnen nicht vorenthalten möchte.

"Munch hätte seine Freude an der Vielfalt der verzerrten Gesichter gehabt. Sind Spieler gefährdet muss der reflexartig ausgestoßene Fluch gezwungenermaßen zum Schrei werden."

Ob Munch mit seiner Bildfolge zum Schrei Schock, Panik, Angst mit Verzweiflung oder eben die Not einsamer, vielleicht auch verfolgter Menschen auf die Leinwand bannen wollte, darüber diskutieren unsere Chefs und Chefinnen bis heute.

"Vermutlich war Munch auf der Suche nach der eindrucksvollsten Darstellung eines Schreies, der Betrachtern seiner Bilder die Angst und Hilflosigkeit im Moment der lähmenden Schockstarre vermitteln sollte."

Vermutet wird auch, das Bild stellt einen vom Schrei erschreckten Menschen dar, welcher das Unglück auf sich zukommen sieht."

Während Munch mit seinen Studien zum Schrei diesen lautlos von der Leinwand über die Augen zum Hirnstamm leitet, wird der Schrei „Foooore“ über den Hörnerv dorthin geschickt.

"Bei Munch weckt die Phantasie die Kraft des Schreies", meinte einer der beiden kunstaffinen Golfer.

Beim Golf hat der Schrei die Aufgabe, mit der Warnung den Reflex der Schutzhaltung zu aktivieren.          

Niemand hat bis heute zugegeben: „In diesem Bild erkenne ich mich nach meinen missglückten Abschlägen wieder.“  

Es würde sicher nicht schaden, an manchen Abschlägen eines der Munch-Bilder für übermotivierte Golfer/*innen zwecks innerer Einkehr zu platzieren. Vielleicht ließe sich damit das mentale und physische Gleichgewicht mancher Menschen sowohl bei diesem Sport als auch im Leben wider in Einklang bringen.   

Nun war es endlich soweit.

Für meinen ersten Flug …

… wurde der bullige Driverkopf hinter mir sacht auf das Gras gesetzt. Er entfernte sich langsam, ähnlich  einem Raubtier, verbog die Grashalme, wohl, um mich, die Beute, immer intensiver fixieren zu können.

Schnell, für meinen Geschmack zu schnell, erfolgte der Angriff.

Ich spürte den harten Schlag auf meiner Urethanbeschichtung, der sich über meine Schale hinein in meine ausgehärteten Gummikerne fortsetzte.

 

E-Book, Kapitel 3


Schönes Spiel

Harte Schale – Weicher Kern – Die erste Runde  beginnt

In diesem Kapitel erzählt uns der Golfball seine Erlebnisse auf erste Runde. 

Seine Reise durch die Welt der Eitelkeiten, Regeln und individueller Ansichten golfender Menschen wird sein Wissen mit jedem Flug bereichern.

 

 

 

 

 

 

 

 

       

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