Das Zwitschern der Vögel und ...
... die Lust am Deutschen ihrer Töne
Haben Sie sich schon mal für eine Stunde auf den Balkon oder die Terrasse gesetzt, nur um den Stimmen der Vögel zu lauschen?
Nein?
Mir kam es so vor, als würden sich Menschen unterhalten, sich zurufen, sich begrüßen, sich wie Halbwüchsige benehmen und ja, auch das, Ehestreitereien öffentlich austragen.
Wir sprechen immer nur vom Zwitschern der Vögel und Benehmen uns bei Twitter, jetzt X, nicht anders als unsere fliegenden Artgenossen.
Interessant, wenn sich Frau und Herr Amsel streiten, wer denn nun zum nächsten Futterflug starten soll.
„Was ich schon wieder? Du sitzt hier bei unseren Kindern rum und ich kann mich mit den Regenwürmern abrackern, die wegen der Trockenheit tief im Boden versteckt sind“, schimpft Herr Amslerich.
„Ja, ja, Regenwürmer, du denkst auch nur an Fleisch. Bring Insekten, Käfer und Beeren, das mögen unsere Kinder“, entgegnet Frau Amsel entrüstet.
Die Blaumeisen brüten noch. Ein Ehepartner sitzt auf dem Nest, der andere hat wieder mal Freizeit.
Beim Nachhausekommen erzählen sie sich von ihren Erlebnissen: „Heute hab' ich deine Schwester getroffen. Sie hat jetzt auch einen Lover.“
„Na, dem Vögelgott sei Dank, bist du jetzt enttäuscht? Glaubst du ich habe nicht bemerkt, wie du ihr im Februar nachgestiegen bist. Offensichtlich bist du nicht ihr Typ“, erwidert spitz Frau Blaumeisin.
„Du glaubst, wir Vogelmänner haben nur das Vögeln im Kopf“, schimpft Herr Blaumeiserich. „Warum glaubst du rackern wir uns mit dem Nestbau ab und bieten euch Frauen die sichersten Plätze in den Tuijen?“
Der junge Buchfink ist noch nicht auf Bratschau, plustert sich aber gewaltig auf. Einige Finkenmädchen finden das ganz lustig.
„Da schaut ihr, wie ich durch die Baumkrone des Nussbaums flitze, meine Pirouetten drehen und am Wassertrog kurz eintauche.“
„Du bist ein richtiger Draufgänger und Kindskopf“, rufen die jungen Weibchen, „aber um eine von uns rumzukriegen solltest du erst mal lernen, was wir an echten Männchen mögen.“
„Und was soll das sein?“, fragt der Buchfinkjugendliche.
„Du solltest wissen, wo die besten Futterplätze zu finden sind. Und zwar für das ganze Jahr die besten! Dazu sehr gute Nistplätze in der Nähe der Futterquellen und zwar möglichst gefahrenfrei von Nesträubern.“
„Ihr mit eurem Nestbau- und Kinderwahn. Spaß soll das Leben machen und nicht immer nur mit Verpflichtungen verbunden sein.“
Kaum hatte er das getwittert, schon waren die Mädels weg.
„Spaßbremsen“, pfiff er ihnen nach und flog eine weitere gekonnte Runde.
Die Familien Gartenrotschwanz und die Misteldrossel sind Nestnachbarn im Haselnussbusch.
„Unsere Männer sind aber schon lange weg“, flöten Frau Rotschwanz.
„Die sind bestimmt wieder zur Eiche geflogen. Der Buntspecht treibt dort aus der Rinde der toten Äste die Asseln und Käfer raus. Auch Weberknechte und Ameisen gibt es dort zu Hauf.“
„Und meiner wird sich wieder an den Mistelfrüchten im Birkenbaum daneben den Bauch vollschlagen“, zirpte Frau Misteldrossel. Hoffentlich vergisst er nicht ein oder zwei Würmer für die Kinder mitzubringen.“
„Weißt du noch als die beiden letzten Jahr aus einr umgefallener Bierflasche getrunken hatte und total betrunken hier ankamen.“
Stimmt, meine Brut bei der Landung fast das Nest aus dem Ästen gerissen, Ich habe ihn dann an den Nestrand gedrückt, damit er die Kinder nicht erstickt.
„Könnt ihr bitte etwas leiser sein, meine Kinder schlafen gerade“, köckert die Nachtigall .
„Also das ist doch die Höhe“, schimpft die Misteldrossel, „wir regen uns ja auch nicht auf, wenn du in der Nacht mit deinem Mann im Chor singst.“
„Na ja, wir singen unseren Kindern immer etwas vor, wenn sie wach werden, dann bleiben sie leise.
„Ich hab gerade eure Männer bei den Blaukehlchen getroffen. Die lassen es sich dort gut gehen“, ergänzt er noch.
„So, jetzt reicht es aber“, keckert Frau Nachtigall. „Den beiden werde ich jetzt mal ein Lied pfeifen, dass denen neben hören und sehen auch die Lust auf's Flirten vergeht. Pass du bitte kurz auf unsere Kinder auf“, ruft sie der Nachtigall zu.
Dann war es plötzlich leise im Garten.
Ich war wieder bei mir und es wurde mir bewusst, in der Welt der Vögel gibt es vermutlich die gleichen Probleme wie im Leben der zweibeinigen Zivilisation.
Der Unterschied?
Wir Menschen erfreuen uns am Gezwitscher und Gekecker. Empfinden es sogar als erholsamen Gesang der Vogelwelt.
Dabei verursacht die zwischenvögeligen Verhaltensweisen für unsere Ohren ein Konzert der gefiederten Superlative des Frühlings.
Genießen wir es - leider können wir den Vögeln Ähnliches nicht bieten.
Und doch benutzen wir für eine ganz bestimmte Art des Gefühlsaustauschs die ornithologische Gesamtbezeichnung der Vogelwelt.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen
Dein Kommentar wartet auf Freischaltung