Gedicht: Oktoberfest, Du ...
... Du öffentliches Freudenhaus
Jahr für Jahr, zur selben Zeit
erlebt München die Gemütlichkeit.
Hinaus geht's auf die Wiese'n,
um beim Bier das Leben zu genieß'n.
Japaner, Chinesen und Slowaken,
es fehlen noch Donkosaken.
Australier, Amerikaner, Italiener,
Bayern, Deutsche und ganz viele Hühner.
Trachten, manchmal auch ein Graus,
alle treibt's zur Wies'n raus.
Aus den Zelten schallt der Schrei:
"Oans, zwoa, gsuffa!" Bist dabei?
Die Stimmung steigt, die Hemmung sinkt,
So mancher im Ausschnitt sich verlinkt.
Es wird gezwinkert und gegrapscht,
bis eine Hand ans Backerl klatscht.
Schon wird gestritten, auch gerauft,
im Bierdunst es sich schwerer schnauft.
"A Hend'l und a frische Mass!"
Vergessen ist der ganze Brass.
Mutter Bavaria die Augen schließt,
zu ihren Füßen ein Pärchen sich vergisst.
Zehn Meter weiter rülpst ein Rausch,
Der Magen schreit nach Nahrungstausch.
Beim Teufelsrad, dem Himmel aller Spanner
trifft sich der Kreis der Poligamer.
Am "Hau den Lukas" mit dem Hammer
zeigt sich so mancher Männerjammer.
Die Krinoline schaukelt wie ein Schiff,
das Orchester hat die Noten nicht im Griff.
Caipi, beim Bodo im Café, ein Muss,
Nach dem Flirt, ein heißer Kuss.
Beim Käfer geht's gesittet zu.
Die Schickeria triff sich hier. Wozu?
Um in der Almhütte unter sich zu bleiben,
man kennt sich, kann's woanders treiben.
Fischsemmel, Bratwurst, Zuckerwatte,
es bummelt die Familie mit Mustergatte.
Autoscooter, Schießstand, Riesenrad,
die Wies'n einfach für alle etwas hat.
Schiller-, Schwanthaler- und Göthestraße,
Tabledance und Strip in hohem Maße.
Gelehrtenamen schützen nicht vor Trieben,
im Münchner Bahnhofsviertel drüben.
Afterwies'n heißt der Renner
für Fauen und für Mäner.
Die einen suchen nach Vergnügen,
andern will das nicht genügen.
Darum Oktoberfest, werte, holde Hoheit
deine Geburt war eine Hochzeit!
Maria Theresia aus Sachsen
und Ludwig, der zum König musste wachsen,
wollten ihren Untertanen Freude schenken.
Es war nicht gedacht an teures Bier ausschenken!
Auch nicht an den Freigang aller Triebe!
Der Ursprung war ein Fest der Liebe.
Die Stadt hat d'raus ein Spektakel getrimmt,
damit sie und die Wirte viel Kohle verdient.
Die Seele der Wies'n, die ist verkauft,
in gewisser Weise auch etwas versaut.
Oskar Springer, Grünwald
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