Fußball: Pressing, Talent, Kreativität und Geld

 


Defensiv oder offensiv? 

Wenn Trainer nach einem Spiel sprechen, glaubt man deren Mannschaften seien Teile eines Game-Spiels, welches der Trainer bei einem Sieg gut, bei einer Niederlage schlecht gespielt hat.

"Wir haben keinen Zugriff bekommen, unsere Performance war schlecht, die ersten sechs Minuten waren gut, danach ..., die Taktik hat nicht gegriffen, das Spiel war ... irgendwie wild, uns hat der Biss gefehlt, die haben mit Mann und Maus ihr Tor verteidigt, im letzten Drittel fehlte die Genauigkeit."

Die schlimmste Aussage: "Gegen den Ball waren wir zu lahm. Wir waren zu brav, da kannst Du nichts holen."


Gegen den Ball!

Ja, da versteht keiner mehr was gemeint ist. 

Ist nun das frühe Pressing, die Manndeckung oder der intensivere Zweikampf gemeint!

Pressing und gegen den Ball:

Die Wissenschaft der Fußballhochschulen - wer immer die beiden Begriffe Pressing und gegen den Ball als erster benutzt hat - dürfte den verkopften Fußball ins Leben gerufen haben.


Zunächst Gegen den Ball: Aktive Variante und passive Variante, beides verbunden mit Pressing.

Aktive Variante: Angreifen

Anlaufen des Ballführenden, um ihn am kontrollierten Abspiel zu hindern. Zugleich mögliche freie Räume besetzen, um ein Anspiel zu unterbinden oder zu erschweren.


Passive Variante: Lauern und verschieben

Wird im Abwehrbereich zwischen 16er und 30 Meter vor dem Tor angewandt.

Ziel dieser Variante ist es, durch ständiges Verschieben der Mittelfeld- und Abwehrketten die Anspielräume für die gegnerischen Stürmer zu verschließen und auf einen Abspielfehler des Gegners zu warten.

Dies beinhaltet meist das langweilige Ballgeschiebe der angreifenden Mannschaft, um Lücken zu finden.

Probleme:

Weitschüsse: 

Hat ein Gegner gute Weitschussspezialisten, dürfen diesen keine Räume gegeben werden, da der Torwart solche Bälle sehr spät sieht.

Grundlinie:

Gelingt es einem flinken Flügeldribbler an die Grundlinie zu kommen, besteht hohe Gefahr bei Kopfbällen und Pässen in den 5er für die passiv pressende Mannschaft, also die Mannschaft, welche sich in der Defensive befindet.


Nun zum Pressing

Pressing wiederum kennt drei Varianten: Abwehrpressing, Mittelfeldpressing und Angriffspressing.


Abwehrpressing - Verteidigung

Früher hätte man gesagt, heute verteidigen wir mit 6 bis 7 Mann, weil unser Gegner sehr gute Stürmer hat, die auch noch schnell sind. Wir nehmen denen die Räume für ihr Spiel.

Heute heißt das gegen den Ball im Abwehrpressing.

Hinten die gewohnte Abwehrreihe, meist 5 Meter vor dem 16er, welche über das Mittelfeld verstärkt wird, um möglichst enge Räume zu bilden, damit der Gegner nicht in den 16er kommt.

Zwei Stürmer besetzen das Mittelfeld als Anspielstationen für die Abwehr und ein Stoßstürmer, meist der Mittestürmer, lauert am Mittelkreis, um entweder Bälle zu sichern und/oder seine beiden Kollegen für den Konter zu bedienen.


Problem:

Das schnelle Umschalten in den Angriffsmodus. 

Hier muss bei sicherer Balleroberung sofort ein ballsicherer Mittelfeldspieler angespielt werden oder ein langer Diagonalpass in den freien Raum in der gegnerischen Hälfte erfolgen.

Schnelle Außen müssen diese Situation blitzschnell nutzen.

Meister dieser Pässe waren bzw. sind Boateng und Kroos.

Allerdings besteht die Gefahr, bei einem Ballverlust in der Vorwärtsbewegung, ausgekontert zu werden. 



Mittelfeldpressing - Mittelfeldspiel

Dies spielt sich am Mittelkreis ab. 

Mit einem verstärkten Mittelfeld. 

Zur Absicherung rückt die Abwehrreihe fast bis zum Mittelkreis vor.

Die Vorgehensweise:

Zwei Stürmer unterstützen das Mittelfeld. 

Der Mitteltürmer weicht entweder auf die Position des Halbstürmers aus oder bindet die Innenverteidigung.

Dabei geht es um kluges Zweikampfverhalten zur Balleroberung. 

Der Ballführende wird schnell von zwei Gegnern attackiert, um entweder den Ball zu verlieren oder diesen nicht mehr genau passen zu können.

Nach der Balleroberung kommt es darauf an, ob schnelle Außenverteidiger mit klugen Diagonalpässen in den freien Raum geschickt werden können, um die Kontersituation zu nutzen.

Kimmich nutzt dazu in der Mitte der gegnerischen Hälfte meist den "Chip". Ab und an auch den "Pitch", wenn der Raum größer bzw, breiter ist.

 

Problem:

Allerdings besteht dabei die Gefahr, dass auch der  Gegner während des Angriffs seine Mitspieler mit einem Pass in den freien Raum schickt, wenn der Ballführende nicht schnell genug angegriffen wird.

Mittelfeldpressing dürfte die risikoreichere Variante der Systeme sein.

Manche Trainer spielen daher mit einem "heimlichen Libero" als "letzten Mann", damit dieser bei Pässen in den freien Raum,  Ballführende anlaufen oder den Ball im freien Raum rechtzeitig ablaufen und erobern kann.


Angriffspressing:

Die Variante für Stürmer und Mittelfeld mit langem Atem.

Es kostet über eine Spielzeit unheimlich Kraft,  Abwehrspieler bei Ballbesitz zu attackieren. 

Noch dazu, weil der Torwart als "freier Mann" meist eine sichere Anspielstation ist, der entweder den Ball wieder weiterspielen kann oder gezielt bzw. nach Situation einstudiert nach vorne schlägt.

Zusätzlich werden die Stürmer von einem oder zwei Mittelfeldspielern unterstützt.


Problem:

Hat der Gegner zwei gute Stürmer, die lange Bälle des "gepressten"  Torwarts sichern können, kann es für die eigene Mannschaft schnell gefährlich werden, sofern gute Mittelfeldspieler oder schnelle Verteidiger in die freien Bereiche hineinstoßen, da die Sicherung derAbwehr mit einem Pass über die Abwehr der "pressenden" Mannschaft auseinander gerissen werden kann.

 

Gegenpressing: Sofort den Ball zurückerobern

Früher hätte man gesagt, "wenn der Ball verloren wird, muss sofort versucht werden, diesen wieder zu erobern.

Eine eigentlich selbstverständliche Verhaltensweise jedes Fußballers, welcher instinktiv versucht, seiner Mannschaft zu helfen. 

Heute wird Gegenpressing als Wissenschaft mit unglaublich vielen Varianten trainiert, welche dann auf dem Spielfeld darin enden, dass es immer wieder zu Abstimmungsproblemen kommen kann.

Ballrückerroberung mit Verstand und Abstimmung wäre die bessere Variante als ungestümes, kraftraubendes Anlaufen

 

Es bedarf eines ausgeklügelten Matchplans um das optimale Pressing für Mannschaft und Spieler zu bestimmen. 


Nun haben wir das "Gegen den Ball und Pressing" angesprochen.

Kommen wir nun zur Manpower bzw. zu den Spielern. 

Am liebsten wäre allen Trainern, Spieler zur Verfügung zu haben, die alle Varianten des Pressings und gegen den Ball beherrschen, wie die Automatismen des Essens und Trinkens.

Leider ist das niemals so, da jeder Spieler individuelle Stärken und Schwächen hat, bzw. auf seiner Position nur die Leistung erbringen kann, welche seine Veranlagung ihm erlaubt oder die er sich in langen Einheiten antrainiert hat.

Ein Vollblutstürmer wird sich im Abwehrzentrum vorkommen, wie ein Autorennfahrer, der plötzlich Motorradrennen fahren soll.

Geschwindigkeit ist Geschwindigkeit werden manche erwidern.

Dem ist und kann, objektiv betrachtet, nicht so sein.


Oder doch?

Von den Ausnahmefußballern, auch Genies genannt, Pele, Maradona, Messi, Beckenbauer und Mbape sollte hier nicht gesprochen werden. 

Allerdings war von diesen nur Beckenbauer in der Lage, sowohl im Mittelfeld als auch in der Abwehr mit traumwandlerischer Sicherheit die Fäden zu ziehen.

Und jetzt kommt noch ein Name ins Spiel: Paul Breitner. Er war einer der stilleren Genießer seiner Rolle. 

Jedoch ein Spieler, der Kampf, Genialität und Technik, zusammen mit jeder Taktik, in Einklang brachte.  

 

Es gibt sie, die genialen Allrounder, ja.


Spitzenallrounder in der Bundesliga waren Franz Beckenbauer, Günther Netzer, Lothar Matthäus und Paul Breitner, um die Bekanntesten zu nennen.

Als aktuelle Allrounder können unter anderen genannt werden: Thiago, Kroos, Alaba, T. Müller, Mario Götze und, nicht zu vergessen, die Kommenden: Musiala, Bellingham, Dani Olmo


Solche Spieler sind in der Lage, sich in ihrer neuen, wenn auch am Anfang ungewohnten Rolle, schnell einzuleben, um nicht nur das Beste daraus zu machen, sondern der Mannschaft von jeder Position aus Impulse zu verleihen.  

 

Warum waren bzw. sind sie sogenannte Allrounder auf höchstem Niveau?

Dafür gibt es mehrere Gründe.

1. Begabung / Talent

2. Training und Wille

3. Erfahrung

4. Trainer, die ihre Hochbegabten führen können

5. Das Glück, verletzungsfrei zu bleiben

 

Begabung - Talent - Genie

Beim Fußball verhält es sich wie in einem Orchester.

Es gibt Mozart, Beethoven, Händel usw. als Genies. 

Es gibt sehr gute Dirigenten mit der Bagabung Töne aller Instrumente schnell und passend kombinieren zu können und,

es gibt die sehr guten Musiker im Orchester, ohne die ein Dirigent keine Komposition eines Genies umsetzen könnte. 

Die einen haben sehr viel Begabung und erreichen mit zusätzlich viel Training immer mehr.

Die anderen sind von Haus aus Talente, müssen aber ebenfalls an ihren Begabungen mit viel Training und Üben feilen, um nicht nur sehr gut, sondern Spitzenbereich mitspielen zu können. 

Dann gibt es die Genies.

Wenn diese es schaffen, ihre Talente und Begabungen mit hartem Training immer weiter zu verbessern, schaffen sie es an die Spitze.

Egal, ob Musiker, Maler, Sportler, Chemiker oder Schriftsteller.


Sprechen wir jetzt über die einzelnen Punkte, welche ich genannt habe, um guter Fußballer zu werden. 

 

Begabung und Talent: Was ist das?

Begabt sind Menschen, welche eine natürliche Veranlagung mitbringen. Sei es Sport, Musik oder naturwissenschaftliche Neigungen.

Talent hat jemand, der ungewöhnliche, überdurchschnittliche Leistungen auf meist künstlerischem Gebiet erbringen kann.

Talent und natürliche Veranlagung ebnen den Weg zu Spitzenleistungen.

Voraussetzung: Die Talente dieser Menschen werden entdeckt und gefördert.

Es gibt vermutlich unglaublich viele Talente in vielen Bereichen, auch im Fußball, welche aber nie entdeckt oder, was noch schlimmer ist, deshalb nie gefördert werden können.

 

Training und Förderung der Begabung

Hier kommen wir zum zentralen Punkt unserer Frage, "Taktik über alles? Wo bleibt die Kreativität?"

Es ist die Frage, ob Kindern im Fußball bereits mit 10 Jahren Taktik und Kettenspiel beigebracht werden muss. 

In diesem Alter sollte es darum gehen, die individuellen Eigenschaften und Begabungen zu suchen, nach diesen zu forschen. 

Zusätzlich dürfen dabei das Spiel mit Ball und Gegner im direkten Vergleich nicht vernachlässigt werden. 

Straßenfußballer müssen schnell lernen, sich durchzusetzen. Entweder durch Einsatz ihres Körpers, ihrer Geschwindigkeit, ihrer Ballbeherrschung und nicht zu vergessen, ihres Blickes für die Mitspieler.

Dazu kommt die Ausdauer und der Ehrgeiz mit dem Spielgerät Ball, Eins zu werden. 

Stoppen, direkt spielen, Ballannahme in jeder Situation, Drehung mit dem Ball, Schusstechnik, Kopfballpendel zur Stärkung der Halsmuskulatur und des Gefühls für den Ball in der Lauft.

Das Schwierigste: Beidfüßig schießen, stoppen und passen lernen. 

Wer als Rechsfuß sich in langen Schussübungen das Schießen mit dem linken Fuß angeeignet hat, wird sich in jeder Situation sicherer fühlen.

Dafür benötigt man keinen Mitspieler. Es reicht eine Betonwand oder eine Mauer, um sich das beizubringen. Allerdings muß man das wollen!

Und es braucht jemand, der einem dazu Tipps gibt, damit es schneller geht.

Zentrale Voraussetzung dürfte sein, den Ball als Körperteil zu empfinden und zu behandeln. Mit ihm die Befehle des Kopfes über die Nerven und Muskeln für den nächsten Spielzug umzusetzen.

 

Wann ist nun jemand Stürmer, Verteidiger oder Mitelfeldspieler?   

Auch hier kommt es auf die Veranlagung an. 

Das herauszufinden, ist die Kunst der Schüler- und Jugend-Trainer. 

Entscheidend ist dabei die vorhandenen Eigenschaften der Talente zu erkennen, ihren Wert einzuordnen und mit geschultem Auge die Begeisterung für das leider auch erforderliche Quälen zu wecken.

Dabei kann und darf es durchaus zu Meinungsverschiedenheiten kommen. 

Allerdings sollte ein Schüler- oder Jugendtrainer dann mit der Mannschaft sprechen, um in unterschiedlichen Aufstellungen die Stärken und Schwächen jedes Einzelnen herausarbeiten bzw.herausfinden zu können.

Immer wieder hört man von Spielern, welche als Abwehrspieler von einem anderen Trainer zu Mittelfeldspielern oder Stürmern umgeschult worden sind und umgekehrt.

 

Kreativität und System

Schwierig wird es, wenn Kreativität und Spielsystem kollidieren oder für sehr individuell agierende Spieler mit ihrer Veranlagung schwer zu vereinbaren sind.

Hier kommt es auf den Trainer und seine Fähigkeiten an, passende Spielsysteme für seine Spieler zu entwickeln.

Ribery, Robben, Müller und Lewandowski in ein gut funktionierendes System zu integrieren gelang Jupp Heynckes und Otmar Hitzfeld.

Kreative Spieler benötigen kreativ agierende Trainer mit Erfahrung aus ihrer eigenen Spielzeit. 

Meist müssen viele Gespräche geführt werden. Nicht nur mit den Kreativen, auch mit den Mitspielern, damit diese dazu beitrage, die kreativen Momente der Ausnahmespieler mannschaftsdienlich zu unterstützen. 

Bei Erfolgen zeigt sich, auch die "unterstützenden" Mitspieler haben sich gesteigert und sind auf ihren Positionen zu wertvollen Mannschaftsteilen geworden. 

In einer Mannschaft gibt es nur Geben, um Erfolge zu erzielen. 

Das Nehmen muss bei einer Mannschaftsportart hinten angestellt werden. 


Training: Körper und Kopf in Einklang zu bringen

Training heißt, sich auf ein Spiel, einen Wettkampf vorzubereiten.

Training heißt aber auch, besondere Stärken zu perfektionieren und Schwächen auf ein Minimum zu reduzieren.

Die schwierigste Frage für einen guten Jugendtrainer lautet: "Welche Position ist für diesen oder jenen meiner Spieler die beste?"

Dies herauszufinden bedarf viel Fingerspitzengefühl und guter Beobachtungsgabe.

Viele Schüler und Jugendliche sehen sich in der Rolle ihrer Idole. Sie möchten so spielen, so sein und und sich auf dem Platz so verhalten wie ihre Vorbilder. 

Spieler mit einer enormen Grundgeschwindigkeit müssen nicht unbedingt die besten Stürmer sein. Umgekehrt müssen Spieler, welche etwas größer sind nicht unbedingt die besten Abwehrspieler oder Mittelstürmer sein. 

Genau hier ist sind das Auge und die psychologischen Fähigkeiten der Trainer gefragt. 

Erstens soll, ja muss sich ein Spieler in seiner Position wohl fühlen, um sie optimal ausfüllen zu können. 

Zum Anderen sollten seine Fähigkeiten genutzt werden um der Mannschaft zu helfen.

Abwehrspieler - Verteidiger   

Diese Spieler fühlen sich wohler, wenn sie das Spiel vor sich haben und auf die Angriffe der gegnersichen Mannschaft reagieren können. 

Sie bevorzugen den Zweikampf und haben die Ruhe, Gegner an- und abzulaufen, zu grätschen oder im Zentrum zu köpfen. 

Kurz, diese Spieler bevorzugen das körperbetonte Spiel. Schalten sich als Außenverteidiger auch gerne in das Flügelspiel ein.

Innenverteidiger sind die Dirigenten der Abwehr. Ihre Kommandos helfen Aussenverteidigern und defensiven Mittelfeldspielern bei der Deckung freier Gegenspieler oder der Besetzung freier Räume.

 

Mittelfeldspieler 

Mittelfeldspieler unterstützen als defensive Spieler (6er, 4er) die Abwehr.

Andererseits unterstützen offensive Mittelfeldspieler (8er, 10er) die Stürmer.

Sie sind diejenigen, welche permanent zwischen den 16ern unterwegs sind, um entweder vorne zu unterstützen oder hinten auszuhelfen.

Manchmal werden sie auch Ballschlepper genannt. 

 

Allerdings gibt es Ausnahmen: 

Die dritte Variante sind die sogenannten Mittelfeldallrounder, welche sowohl das Abwehr- als auch das Angriffsspiel beherrschen. 

Zu diesen Spielern gehörten, wie bereits oben erwähnt, Franz Beckenbauer, Günther Netzer, Lothar Matthäus und Paul Breitner, um die Bekanntesten zu nennen.

Aktuell können genannt werden: Thiago, Kroos, Alaba, Thomas Müller und nicht zu vergessen, die Kommenden: Musiala, Bellingham, Dani Olmo.

Alle die hier genannten hatten bzw. haben die Fähigkeit ein Spiel und seinen Verlauf während ihres Mitspielens zu erkennen bzw. zu lesen und, das ist das Entscheidende, sich und Mitspieler auf diese Erkenntnisse einzustellen, ohne dass ein Trainer von außen eingreifen muss. 

 

Hier zeigt sich noch etwas Erstaunliches:

Lothar Mathäus war in seiner Anfangszeit 10er, also stürmendes Mittelfeld. Später spielte er einen hervorragenden Libero. 

Paul Breitner begann als Verteidiger bei Bayern und wandelte sich später zu einem der weltbesten Mittelfeldspieler in der Offensive.

Franz Beckenbauer begann im Mittelfeld, wo er bereits Weltklasse war und mutierte innerhalb kürzester Zeit zu einem der weltbesten Liberos.

In einem unvergesslichen Spiel, 1972 in England, wechselten sich Netzer und Beckenbauer permanent auf der Liberoposition ab, um dem Mittelfeld immer wieder neue Impulse zu verleihen. 

Es muss und braucht nicht immer die am Anfang erlernte Position sein, welche ein ganzes Fußballerleben ausgefüllt werden muss. 

Intelligente und lernbereite Spieler schauen sich viel von ihren erfahreneren Mitspielern ab und versuchen deren Elemente in ihr eigens Spielverhalten einzubauen. Manche perfektionieren diese Kombinationen.

Erfahrung und Bereitschaft 

Es ist nicht nur die Erfahrung langer Jahre auf hohem Niveau, welche den oben Genannten geholfen hatte, sich im Spiel gegen England, obwohl sie in unterschiedlichen Mannschaften spielten, optimal zu ergänzen, sondern, unter Zurückstellung all ihrer Eigenheiten, sich voll in den Dienst der damaligen Nationalmannschaft zu stellen.

Damit Systeme und Ketten ebenso funktionieren, wie offensives und defensives Pressing bedarf es eines optimalen Sozialverhaltens aller Beteiligten. 

Wer innerhalb einer Mannschaft versucht, seine individuellen Stärken egoistisch zu nutzen, schadet dem ganzen Vorhaben. 

Genau darum sind Jugendtrainer nicht nur gefragt,  den Nachwuchs auf die harte Realität des Erwachsenenfußballs vorzubereiten, sondern diesen Spielern geduldig beizubringen, ihre Stärken zu steigern und ihre Schwächen immer weiter zu reduzieren. 

 

Stürmer - Vollstrecker und / oder Vorlagengeber?

Was zeichnet nun Stürmer aus? 

Welche Veranlagungen müssen sie mitbringen?

Zuerst, Stürmer sind teilweise sensibel, teilweise positiv egoistisch und andererseits wiederum bereit, ihre Mitspieler in Position zu bringen, wenn diese besser für einen Torschuss zu sein scheint.

Es gibt aber auch die Dribbler, ballverliebte Hochgeschwindigkeitsfußballer mit viel Körperbeherrschung im Sturm, welche weniger Tore machen, dafür aber ihre robusteren Mitspieler oft in Position bringen. 

Zusätzlich gibt es die Robusten, leider auch die Egomanen. 

Wer war der perfekteste Stürmer der Welt? Nun viele werden sofort antworten: "Gerd Müller!"

Da gibt es aber noch einige andere, deren Kunst Tore zu schießen unvergesslich sein dürfte. 

Es gibt die Legenden und die Aktiven.

Stürmer zu sein heißt, emotional zwischen Himmel und Hölle zu wandern. Wird ein sogenanntes "todsicheres Tor" vergeben ist man der Versager. 

Wird ein fast unmöglicher Torschuss gefeiert, ist man der Fußballgott. 

Kein Wunder, dass viele Stürmer ab und an in ein "Loch fallen", wenn ihnen das Schicksal öfter hintereinander nicht gnädig ist, der Torwart einen ausgezeichneten Tag hat oder die Konzentration nicht zu 200 % vorhanden war. 

Hier liegt es am Trainer, seine Stürmer aufzubauen und ihnen die notwendige moralische Unterstützung zukommen zu lassen. Oder auch, wenn es erforderlich sein sollte, sie ab und an pausieren zu lassen, um den Akku wieder aufzuladen. 

Interessant dürfte sein, dass viele Stürmer ihr Spitzenlevel erst mit späterem Fußballalter voll zur Entfaltung bringen. 

Dies wiederum hängt mit der Erfahrung und dem Vertrauen zusammen, welches ihnen und ihren Fähigkeiten entgegengebracht wird.

Vor allem kommt mit der Erfahrung auch der Blick für die entscheidende Situation. 

Gerade bei Lewandowski hat man das Gefühl, der Bursche kann Hundertstel von Sekunden in Minuten verwandeln. Er ist selten hektisch oder unüberlegt in seinen Bewegungen. 

Kurz gesagt, er ist der coolste Torjäger seit Gerd Müller, da er ebenfalls nach dem Motto Müllers spielt: "Wer lange nachdenkt, schießt keine Tore." 

Stimmt. der Instinkt eines Torjägers verbietet den Denkvorgang des Torschusses. Es handelt sich um einen Reflex des Nervensystems, der kaum zu beschreiben ist.   

 

Trainer, die ihre Hochbegabten führen können

Hier prallen Erfahrung (Trainer) und Bereitschaft (Spieler) aufeinander. 

Genau diese Gegensätze führen manchmal zum Bruch von Vertrauen zwischen Spieler und Trainer.

Spieler glauben, sie werden in ihrer Individualität eingeschränkt und Trainer vermuten, die Spieler wollen ihren Anweisungen nicht folgen bzw. diese nur widerwillig umsetzen.

 

Hier kommt es wieder zur Frage, Taktik und Kreativität? 

Stehen sie im Widerspruch zur Individiualität oder ist Individualität Voraussetzung, um jede Taktik optimal für die Mannschaft nutzen zu können?

Nein, es ist kein Widerspruch - es ist die Logik des Handelns auf unterschiedlichen Ebenen. 

Der eine (Trainer) will mit seiner Taktik der gesamten Mannschaft einen guten Dienst erweisen. Der andere (Spieler) kann sich dieser Taktik nur bedingt unterordnen, da damit sein instinktives Handeln eingeschränkt wird. 

Hier kreuzen sich Taktik und Kreativität. 

Weitsichtige, kreative Trainer ordnen kreative Spieler in ihre taktischen Vorgaben ein ohne sie in ihren Vorzügen einzuschränken.

Betontaktiker erlauben diese Kreativität nicht. 

Genau hier scheiden sich die Geister, denn es gilt, so oder so, die Mannschaft als solche mit der bestmöglichen Aufstellung aber auch Einstellung ins Spiel zu bringen. 

Was im Leben als normaler menschlicher Vorgang erscheinen mag, kann sich in einer Fußballmannschaft zum Fiasko entwickeln. 

 

Bei aller Genialität dürfen "Hochbegabte" nicht vergessen, dass ohne ihre Mitspieler sie alleine auch nichts ausrichten könnten. 

Deshalb wissen kreative, hochbegabte Spieler durchaus, wie sie sich in das Mannschaftsgefüge einbringen müssen und sollen. 

Allerdings kommt es eben darauf an, wie ihr Umfeld, jeweils, individuell nach Spielern betrachtet, zu ihnen steht und wie es gute Trainer schaffen, die Mannschaft mit alle ihren Könnern unter einen Hut zu bringen. 

 

Am Ende: Glück und Verletzung 

Auch Weltfußballer bleiben nicht vom Verletzungspech verschont. 

Wenn sie sich nicht selbst verletzen, kann es schlimm sein, wenn sich einer ihrer engeren Mitspieler, mit dem sie sich blind verstehen, verletzt. 

Man denke nur an die legendären Barca-Mannschaft mit Iniesta, Messi, Henry und Eto. 

Kaum war einer der vier verletzt, schon stotterte der Motor. Gut, es waren vier geniale Fußballer. Aber, sie waren aufeineinander abgestimmt wie ein Uhrwerk. 

Beim FC Bayern München galt das für Müller, Lewandowski, Ribery und Robben.

 

Kommen wir noch zu einem Punkt: Geld

Hatten früher begabte Fußballer Zeit, sich an die raue Luft der höheren Ligen zu gewöhnen, wird heute verlangt, sie sollten als "fertige Teile" des Systems sofort einsteigen können.

 

Heute wäre es nicht mehr möglich mit  Jugendspielern in ein Bundesligaspiel zu gehen. 

Dies hatte Ende der 60er Jahre Hennes Weißweiler mit Borussia Mönchengladbach gewagt - und sogar das Spiel gewonnen. 

Er war der Fuchs der Menschenführung. Allerdings eben nur für junge, sehr talentierte und hungrige Spieler.

Nicht umsonst hießen sie damals die Fohlenmannschaft von Hennes dem Übervater. 

Sie vertrauten ihm und hatten sich für ihn die Lunge aus dem Leib gelaufen. Horst Köppel, Winfried Schäfer, die Kremerszwillinge und Gerd Zimmermann waren die damaligen "Wasserträger" und "Roadrunner" der Strategen Günther Netzer und Haki Wimmer. 

Würde ein Trainer heute mit so einer jungen Mannschaft auflaufen, würden ihn die Anhänger des Vereins für verrückt erklären.


Bis auf größere Vereine, die es sich leisten können gute bis sehr gute Nachwuchsspieler von anderen Vereinen auszuleihen und bei sich mit Kaufoptionen zu integrieren, leben kleinere Verein davon, mit einer Mischung aus älteren Spielern, deren Gehaltsforderungen nicht mehr so hoch sind und hoffnungsvollen Nachwuchsspielern über die Runden zu kommen.

Leider bleiben bei dieser Art der Nachwuchsförderung auf dem letzten Treppenabsatz zum Profifußballer viele gute Fußballer auf der Strecke, weil sie den Sprung in die Mannschaft, die international gewinnen will und national mindestens einen Titel erreichen möchte oder sogar muss, nicht schnell genug schaffen. 


Zusätzlich kommt es auf die Philosophie des Trainers und der Vereinsführung an: Sollen Spieler mit Potential gefördert und gehalten oder aus Kostengründen verkauft werden?


All das zusammengefasst bedeutet, die Jugendarbeit in vielen Vereinen mag sehr gut sein. 

Leider scheitert sie immer öfter an den sehr hohen sportlichen Erwartungen und, leider, noch viel öfter an den finanziellen Anforderungen und Bedürfnissen.

Hier stellt sich die Frage ob beim Fußball Taktik und Kreativität eher gefragt sind oder doch die monetäre Situation der einzelnen Vereine, von denen sicher viele am Rande des Existenzminimums leben (müssen).




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